. Maren Schoening . 03. Juni 2025 .
München 1933: Thomas Mann und die
Gefahr Durch
Reinhard Heydrich
Thomas Mann im Konzentrationslager Dachau? Heute unvorstellbar, aber doch realistisch.
München im Januar 1933: Wenige Tage nach dem Machtantritt von Adolf Hitler am 30. Januar 1933 bricht der gefeierte Literaturnobelpreisträger mit seiner Frau Mitte Februar aus München zu einer lange geplanten Wagner-Vortragsreise nach Amsterdam, Brüssel und Paris sowie einem sich anschließenden vierzehntägigen Urlaub in der Schweiz auf. Zur gleichen Zeit übernimmt die braune Macht auch in München Schlüsselstellungen im Staatsapparat. Heinrich Himmler, Reichsführer SS innerhalb der SA, wird kurzzeitig Polizeipräsident in München und Anfang April 1933 zum „Politischen Polizeikommandeur Bayerns“ ernannt. Die NSDAP-interne Schutzstaffel (SS) und die Politische Polizei werden damit in einer Hand zusammengeführt. Das Tagesgeschäft überlässt Himmler den jungen Reinhard Heydrich. Schon am 20. März wird die Errichtung des Konzentrationslagers in Dachau verkündet und zwei Tage später die ersten Verhafteten, unter ihnen Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschaftler, in das KZ eingeliefert.
Im Schweizerischen Urlaubsort
An seinem Urlaubsort in der Schweiz sitzt unterdessen Thomas Mann und hört die Nachrichten aus der Heimat: Tochter Erika kommt vorbei und schildert Morde und Misshandlungen von Juden in München, Alfred Döblin ruft aus Zürich an und empfiehlt ein vierwöchiges Fernbleiben aus München und Manns Schwiegermutter warnt, vorerst nicht nach München zurückzukehren. Auch in den Zeitungen sind die Ereignisse ein Thema. Am 29. März notierte Thomas Mann in seinem Tagebuch, er habe Post erhalten mit einem Zeitungsartikel über die Zustände in Deutschland und der Versicherung, er säße heute in Dachau, wenn er in Deutschland wäre.
Reinhard Heydrich spielt eine Schlüsselrolle bei der Verfolgung von Gegner der Nationalsozialisten und nimmt sich auch der Verfolgung von Thomas Mann an. Ende April wird das Münchner Haus der Manns von der Politischen Polizei auf angebliche Waffen durchsucht und die PKWs der Familie beschlagnahmt. Am 12. Juli 1933 schreibt Heydrich an den Reichsstatthalter in Bayern, von Epp, und bezichtigt Thomas Mann „Gegner der nationalen Bewegung und Anhänger der marxistischen Idee“ zu sein und führt dafür eine Reihe von Äußerungen und Aktivitäten der letzten Jahre an. Er schreibt, dass diese „undeutsche, der nationalen Bewegung feindliche, marxistische und judenfreundliche Einstellung Veranlassung gab, gegen Thomas Mann Schutzhaftbefehl zu erlassen“. Fast bedauernd fügt er hinzu, dass der Schutzhaftbefehl wegen Manns Abwesenheit nicht vollzogen werden könne, aber sämtliche Vermögenswerte beschlagnahmt seien.
Nehmen wir nur einen Moment an, Thomas Mann hätte die Ratschläge seiner Kinder, Freunde und Bekannte ignoriert und sich zur Rückkehr nach München entschieden. Gründe hätte es genug gegeben: Er und Katia waren nur für wenige Wochen aufgebrochen und es war keine Rede davon, Deutschland zu verlassen. Tagebücher, Manuskripte, Briefe, alles verblieb in München und drohte nun in die Hände der Nationalsozialisten zu fallen. Bei seiner Rückkehr wäre er von der Politischen Polizei verhaftet worden.
Heydrich macht die Verfolgung von Thomas Mann (und der Familie) zu seiner Angelegenheit. Er lässt den Reisepass nicht verlängern, Konten sperren und betreibt die Ausbürgerung des Schriftstellers, dessen Werke gerade noch die Bibliotheken und Bücherregale der Deutschen gefüllt hatten. Im Mai brennen auch seine Bücher auf den Scheiterhaufen der Bücherverbrennung „wider dem undeutschen Geist“. Knapp sechs Monate nach Machtübernahme hatten sich die Nationalsozialisten mit dem „Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der Staatsbürgerschaft“ vom 14. Juli 1933 und der zugehörigen Verordnung ein Instrument geschaffen, unliebsame Bürgerinnen und Bürger die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen. Danach konnte Reichsangehörigen, die sich im Ausland aufhalten, die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden, sofern ihr Verhalten gegen die „Pflicht zur Treue gegen das Reich und Volk“ verstößt. Am 23. August 1933 erschien im Reichsanzeiger die erste Liste mit 33 Personen, unter ihnen Heinrich Mann, Alfred Kerr, Lion Feuchtwanger, Kurt Tucholsky, der ehemalige Ministerpräsident Philipp Scheidemann sowie der SPD-Parteivorsitzende Otto Wels sowie der ehemalige Fraktionschef Rudolf Breitscheid, die öffentlichkeitswirksam die deutsche Staatsbürgerschaft verloren. Das Eigentum der Ausgebürgerten fiel an die Staatskasse.
Heydrich arbeitet auch an der Ausbürgerung von Thomas Mann und stellt am 18. Januar 1934 beim Reichsinnenminister den Antrag auf Aberkennung der Staatsangehörigkeit. 1934 und 1935 werden Erika und Klaus Mann ausgebürgert und1936 stand dann auch Thomas Mann auf der Liste, der kurzfristig aber die tschechische Staatsbürgerschaft annehmen konnte.
Der 150. Geburtstag von Thomas Mann sollte nicht nur an das literarische Wirken des großen Deutschen erinnern, sondern auch deutlich machen, wie schnell die Nationalsozialisten ihre Macht etabliert haben und angebliche Feinde verfolgt wurden.
Literaturverzeichnis:
- Die Ausbürgerung deutscher Emigranten durch das NS-Regime 1933-1945, in: Deutscher Bundestag, Wissenschaftlicher Dienst, Fachbereich WD1-3000-008/25, 2025.
- Thomas Mann, Tagebücher 1933-1934, In: Peter de Mendelssohn (Hrsg.), 1977.
- Paul Egon Hübinger, Thomas Mann und Reinhard Heydrich in den Akten des Reichsstatthalter v. Epp, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Jahrgang 28 (1980), Heft 1.
- Jürgen Kolbe, Heller Zauber, Thomas Mann in München 1894-1933, 1987.